Schorsch – Die Story

Schorsch auf dem Gelände der Abalour Whisky Brennerei

Es war im Jahre 1992, genauer gesagt am 10. April 1992, als Schorsch zum ersten Mal gestattet worden ist, die deutschen Strassen offiziell bevölkern zu dürfen.

Offiziell war sein Heimathafen die Stadt Krefeld und er stand im Dienste einer Warenvertriebs-Gesellschaft. Also anscheind kein Beginn eines Cabrio-würdigen Lebens. -Armer Schorsch- Eigentlich war er davon ausgegangen, als er damals kurz nach der Geburt (vermutlich im März 1992 *Notiz an DAT ANDI: Check mal Audi Tradition!) in Neckarsulm im Regen ausharren musste, dass ihn ein Leben im Sonnenschein und mit entspannten Menschen erwarten würde.

Aber nun musste er unter dem Handelsvertreter erst einmal drei Jahre wie ein Lieferwagen buckeln. Jeden Tag gleich morgens früh ging es auf die Landstraßen der Republik um seinem Herrn die gewünschten Erträge zu verschaffen.

Bis kurz vor Weihnachten des Jahres 1995 verrichtete er treu seinen Dienst.

Schon seit geraumer Zeit hatte die Marianne Frieda Franziska, damals 54 Lenze jung, ein Auge auf diesen blauen Planwagen geworfen und träumte davon, diesen jungen Boliden endlich Ihr Eigen nennen zu können.

Dach auf, dem Sonnenuntergang entgegen, quer durch die Eifel mit dem Wind in den Haaren…

DAT ANDI

Da Marianne den Schorsch dem Handelsvertreter neidete, lag sie fortan ihrem Gatten, dem Eigener der Warenvertriebs-Gesellschaft, in den Ohren, dass dieser schöne Wagen ihr Interesse geweckt habe.

Im Herbst 1995 fragte sich der Gemahl von Marianne, was er seiner liebreizenden Gemahlin zum Weihnachtsfeste schenken könne. Am Mittagstisch in seiner Villa in Kempen fiel es ihm wieder ein.

Heureka! Die blaue Karre!

Gemahl von MArianne

Der Plan war geboren! Der Gemahl wusste schon seit längerem, dass dem Handelsvertreter der Schorsch kein guter Gefährte war. Aber es lag nicht am Schorsch! Er verrichtete seine Arbeit vorschriftsmäßig und ohne Murren. Jedoch hatte der Gemahl die Erfahrung gemacht, dass der Handelsvertreter am Wochenende sehr viel Freude am Schorsch hatte, bei seinen tätlichen Touren aber wenig Geschäft abwickelte. Kunden berichteten von kurzen Terminen und Vorfällen wie: „Und dann verließ der Handelsvertreter strahlend die Besprechung, riss das Dach auf und fuhr flötend vom Hof“.

Also bestellte der Gemahl dem Handelsvertreter einen Opel Vectra Caravan. Dem Handelsvertreter war der Schorsch wegen der wunderbaren Wochenend-Eskapaden sehr ans Herz gewachsen. Dem Schorsch hatten die langen Ausflüge auch recht gut gefallen, jedoch war er in guter Hoffnung, dass die Plackerei unter der Woche endlich ein Ende finden würden.

Jeden Tag den Kofferraum voller Muster durch die Republik zu schleppen, an jeder Milchkanne werden dann die Waren feilgeboten und Schorsch steht da rum und die Passanten tatschen ihm an den Hintern! Das musste doch mal anders werden!

Am 21.12.1995 war es dann endlich soweit! Die Kennzeichen wurden zum ersten Mal nach drei Jahren abgenommen.

„Herrgott, hat das gejuckt!

Schorsch, 21.12.1995

Endlich wurde darunter mal sauber gemacht und neue Blechpappen angebracht. Der Heimathafen wurde nach Kempen im Kreis Viersen verlegt.

Noch musste Schorsch ein paar Tage in einer dunklen und feucht-kalten Lagerhalle ausharren, bis es wieder ins Sonnenlicht ging. – Naja, im Dezember 1995 gab es ja noch richtige Winter. Daher war es ein kalter, regnerischer Tag, dieser 24.12.1995, als Schorsch eine affige rote Schleife umgebunden bekam. Dann wienerte noch jemand kurz mit dem Feudel über den Lack und dann musste er durch den ganzen Schneematsch bis zu Marianne fahren. Die Schleife war anschließend alles andere als rot.

Mit kalten Puschen und über und über mit Schneematsch vollgespritzt stand er nun mehrere Stunden auf der Kiesauffahrt des herrschaftlichen Anwesens, bis dann endlich nach einem kleinen Glockengeläut, Marianne aus dem Entré heraustrat.

Als Marianne den Schorsch erblickte, war sie regelrecht aus dem Häuschen! Hatte Ihr Gemahl doch ihre Wünsche wahrgenommen und ihr dieses Fahrzeug zum Geschenk gemacht. – Herrlich-

Um mehr ging es leider auch nicht. Es wissen nur sehr wenige, was Marianne wirklich damals dachte.

„Im Winter ein Cabrio! So ein Depp!“

Marianne, Heiligabend 1995

So weilte Schorsch trocken, aber traurig, neben den anderen Fuhrpark Fahrzeugen bis zum Frühjahr aus. Als ein leichter Geruch von Sonnenschein und grünen Auen den Weg durch den Schlitz der Mehrfachgarage fand, sehnte sich Schorsch nach ausgiebigen Ausfahrten mit dem Handelsvertreter. Es wäre ihm das Gefummel am Strassenrand und das ständige Warten gleichgültig gewesen. Nur raus hier!

Dann, endlich, öffnete sich das Tor. Gleißender Sonnenschein stach dem Schorsch in den H4 Scheinwerfern und seine Audi Ringe füllten sich mit ersehnter, wohliger Wärme.

Marianne hatte sich in bunte Sommerfarben und feinstes Tuch gekleidet. Ein lilafarbener Seidenschal wog sich in einer leichten Brise. Sie setzte sich in die wohlgeformten, grauen ledersitze und vernahm diesen holzigen Geruch. Sie umfasste das Nardi Lenkrad und strich zärtlich über die Holzverkleidungen. Sie öffnete das Verdeck und startete den Fünfzylinder Reihenmotor. -Es glitt Ihr ein kleiner Schauer über den Rücken –

Sie schaltete das Radio ein. Es lief „Lemon Tree“ von Fools Garden. Ein wunderbares Lied, um eine Ausfahrt zu beginnen. – Herrlich –

Es ging über gelbe Felder, grüne Wiesen und durch duftende Wälder, durch berg und Tal und ein leichter Wind schmeichelte den beiden. Das sonore Brummen des Fünfenders begleitete die Fahrt.

So ging es die nächsten Jahre weiter über die Sommermonate und Schorsch gewöhnte sich daran, die kalten und nassen Monate sein Dasein zwischen diesen anderen Fahrzeugen zu fristen. Leider wurden die Ausflüge seltener. Immerhin war Marianne nicht die jüngste und wurde auch nicht jünger. Die Kinder von Marianne hatten kein Interesse an „diesem alten Auto“ und erfreuten sich lieber japanischem Junggemüse und diesen jungen Dingern aus Stuttgart.

Doch nach einigen Jahren erfasste Marianne ein Anflug von Jugendlichkeit und sie wollte dieses Gefühl der Freiheit, welches nur der Schorsch ihr geben konnte, erneut erleben. Sie hüllte sich in ein luftuíges Sommerkleid, legte sich den lilafarbenen Seidenschal um, öffnete das Verdeck und lies den Fünfzylinder erklingen.

Mittleweile hatte Marianne das stolze Lebensalter von 73 Lenzen erlangt und hatte den Schorsch seit langer Zeit nicht mehr genießen können (Rücken, Sie wissen schon). Also raus aus der Garage und der Son….

KRAAAATSCHHHH!

Seitenteil an garagenwand

Da war es passiert! Ein jämmerlich kurzes Vergnügen! Und schmerzhaft für den Schorsch! Entlang des Seitenteils hinten war das Blech schmerzhaft verzerrt und es klaffte eine offene Blechwunde. Sofort eilten die Bediensteten herbei und schnell wurde der Verwundete in die Fachklinik verbracht, wo man sich fachkundig um die Wunden kümmerte.

Leider versagte die Krankenversicherung dem Patienten die Chefarzt-Behandlung, sodass die Wundheilung nicht perfekt abgeschlossen werden konnte. Noch heute ist bei Sonnenschein die Auswirkung dieses Malheurs auch für Laien erkennbar. Es gibt zwar keine Narben, aber die Haut ist halt nicht mehr so frisch wie damals.

In der Folgezeit legten nur noch einmal im Jahr die Mechaniker bei der Inspektion Hand an den Schorsch und versorgten ihn mit einem Mindestmaß an Streicheleinheiten.

Mittlerweile hatte der Schorsch auf wundersame Weise im fernen Lübeck das Interesse von Timur geweckt. Er wusste, dass es dort einen wunderbaren Schorsch gibt, welcher sein Dasein in einer Mehrfachgarage fristen muss, weil seine Herrin in Anbetracht Ihres Lebensalters diesem Boliden nicht die notwendige Aufmerksamkeit geben kann. Marianne war mittlerweile 76 Jahre alt.

Da auch der Schorsch schon das betagte Fahrzeugalter von 25 Jahren erreicht hatte, hatte Timur die Idee, den Wagen zum Oldtimer zu machen und ihn bis dahin redlich zu pfelgen und ihm genügend Auslauf zu ermöglichen.

Also wurde dieses neue Projekt am 20.04.2017 in die Tat umgesetzt und das Fahrzeug der Mehrfachgarage entnommen und nach Lübeck verbracht. Das war Schorsch´s Welt! Rauf auf die Autobahn, mal ordentlich die Beine ausstrecken und ab ans Meer! – Moment! Meer? – Das kannte Schorsch noch nicht. Bisher ging es nur durch Berge und Täler und Wälder. Weggefährten hatten ihm von diesem „Meer“ des öfteren erzählt, aber er hielt es immer für eine Legende.

Und dann sah er es! Dieses blau-silbern schimmernde Meer! Wie herrlich! Und wie es riecht! Wie die salzige Luft zart am Lack haftet und diesen leicht schmierigen Schleier ergibt. – Das tut gut –

Die erste Timur-Zeit war toll. Da er den Schorsch ausschließlich am Wochenende und bei Sonnenschein bewegte, war Timur noch nicht aufgefallen, was dem Schorsch schon länger mehr als peinlich war. Er war am Dach inkontinent und konnte das Wasser nicht halten. Dass der Schorsch in seinem Alter etwas am Triebwerk tropfte, war für Timur nicht so schlimm.

Aber Schorsch genoss die Ausfahrten mit Timur und auch die auf den hinteren Bänlen herumhüpfenden Kinder erfüllten den „Opa“ mit Freude. Immerhin wurden sie von Timur zur Vorsicht ermahnt, dass man einem alten Herrn nicht ins Kreuz springen dürfe.

Dass es nur am Wochende vor die Tür ging war für Schorsch auch ok, immerhin waren die Glieder keine 18 mehr.

Schorsch vermisste jedoch die Chefarzt Behandlungen bei den erfahrenen Ärzten im Audi Klinikum. Der neue Pfleger in Lübeck war zwar nett, aber er kannte die Wehwechen des Boliden nicht. Da wurden Pumpen rausgebaut, umgebaut mit Organspenden aus einem Golf, falsche Batterien verbaut und allerlei Kleinkram etwas lieblos instandgesetzt.

Igendwie hatte DAT ANDI anscheinend hier schon ein Gefühl von „Rette den Boliden“. DAT ANDI hatte gerade den relativ schmerzhaften Verlust des Onkel Gounty zu verarbeiten und sehnte sich nach einem neuen Projekt. Da er sich an die Planung der Knights of the Island Rally rund um England gewagt hatte, und nach einem geeigneten Rallyfahrzeug umgesehen hatte, erblickte er im Sommer 2017 den Schorsch in einer Announce.

Zustand und optik des Boliden entsprach zwar nicht zu 100% den Vorstellungen, aber das Angebot in der Gänze schon. Schnell wurde der Kontakt zum Anbieter gesucht, jedoch nicht gefunden. DAT ANDI wurde auf dem Anrufbeantworter ständig vertröstet. Also gab DAT ANDI auf und suchte weiter. Das Schicksal bescherte jedoch keine erfolgreichenden Alternativen.

Im September klingelte dann das Telefon. Timur war dran und teilte DAT ANDI seine Story mit. Er müsse sich vom Schorsch nach kurzer Zeit wieder trennen. Die seitens der Gattin gegebenen Alternativen ist seine Wahl auf die Abgabe des Cabrios gefallen. Bei der Probefahrt in der Folgewoche zeigte sich das Wetter, der Schorsch und auch das Verhandlungsgeschick von DAT ANDI von seiner besten Seite und man wurde sich Handelseinig.

Und so kam der Schorsch zu DAT ANDI.